Die AG DRauE informiert

Anerkennung von COVID-19 als Berufskrankheit und Arbeitsunfall

COVID-19 als Berufskrankheit

COVID-19 kann als Berufskrankheit (BK 3101 nach Anlage 1 der BKV) anerkannt werden, wenn die Versicherten infolge der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit einer gegenüber der Allgemeinbevölkerung wesentlich erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt sind. Dies trifft für Beschäftigte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege (zum Beispiel Kindertageseinrichtungen, Seniorenwohnheime), in Laboratorien und bei sogenannten „anderen Tätigkeiten“ (zum Beispiel Friseurinnen und Friseure oder Optikerinnen und Optikern) zu. Voraussetzungen für die Anerkennung sind:

  • Kontakt mit SARS-CoV-2-infizierten Personen bzw. Patientenmaterialien im Rahmen der beruflichen Tätigkeit
  • klinische Symptome
  • positiver PCR-Test

Die Schwere der Erkrankung ist nicht ausschlaggebend für die Anerkennung als Berufskrankheit. Eine laborchemisch nachgewiesene Antikörperbildung ohne jegliche Krankheitserscheinungen stellt dahingegen keine Infektionskrankheit im Sinne des Berufskrankheitenrechts dar.

Zu den in der Unfallversicherung pflichtversicherten Personen gehören sowohl angestellte Beschäftigte als auch ehrenamtlich Tätige. Selbstständig tätige Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und -ärzte sowie Apothekerinnen und Apotheker sind von der Versicherungspflicht befreit, können sich auf Antrag aber freiwillig versichern.

Berufskrankheiten und Arbeitsunfälle im Zusammenhang mit COVID-19 © Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung
Wer meldet eine Berufskrankheit?

Ärztinnen und Ärzte sowie Zahnärztinnen und -ärzte sind nach §  202 SGB VII gesetzlich verpflichtet, den be-gründeten Verdacht auf eine Berufskrankheit dem Träger der Unfallversicherung oder der/dem staatlichen Gewerbe-/Landesgewerbeärztin oder -arzt zu melden. Die Meldung hat mittels eines Formulars (https://www.dguv.de/bk-info/service/index.jsp) zu erfolgen. Die gemeldete Person ist über die Anzeige zu informieren, eine Einwilligung ist jedoch nicht erforderlich.

Auch die Beschäftigten selbst oder deren Angehörige können die Erkrankung an die Berufsgenossen-schaft oder Unfallkasse melden.

Im Falle einer Anerkennung von COVID-19 als Berufskrankheit haben die Versicherten Anrecht auf folgende Leistungen:

  • Heilbehandlung
  • Leistungen zur beruflichen und sozialen Teilhabe
  • Rente (bei Minderung der Erwerbsfähigkeit um min. 20 %)
  • Pflegeleistungen
  • Leistungen an Hinterbliebene

COVID-19 als Arbeitsunfall

COVID-19 kann als Arbeitsunfall anerkannt werden, wenn die Infektion nicht in einem der oben genannten Tätigkeitsfelder erfolgt, sondern sich situativ ein intensiver beruflicher Kontakt zu einer mit SARS-CoV-2 infizierten Indexperson ergibt. Zudem kann ebenso ein Ausbruchsgeschehen in einem Betrieb als Infektionsquelle gelten und auch eine Infektion auf dem Arbeitsweg kann als Arbeitsunfall anerkannt werden.

Die Meldung des Arbeitsunfalls an den Unfallversicherungsträger muss nicht durch einen/eine Durchgangsärztin/-arzt erfolgen, sondern kann mittels der sog. Ärztlichen Unfallmeldung (F 1050) vorge-nommen werden. Für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber besteht eine gesetzliche Meldepflicht, wenn eine Person durch einen Arbeitsunfall getötet wurde oder für mehr als drei Tage arbeitsunfähig ist (§ 193 SGB VII).

Die Radiologie leistet in der Diagnostik von COVID-19-Patientinnen und –Patienten einen entsprechenden Beitrag.

Bildgebung pulmonaler Veränderungen bei COVID-19

Bei thorakalen Beschwerden bzw. pulmonalen Symptomen, wie z. B. Dyspnoe, Husten, ist eine pro-jektionsradiographische Aufnahme („Röntgen Thorax“) in der Regel die bildgebende Methode der ersten Wahl. Jedoch können die im Rahmen einer COVID-19-Pneumonie auftretenden Veränderungen gerade initial nur sehr diskret ausgeprägt sein, sodass sie dem projektionsradiographischen Nachweis durchaus entgehen können. Daher ist – bei begründetem Verdacht auf eine COVID-19-Infektion, in Abhängigkeit des Schweregrads der klinischen Symptome sowie zum Ausschluss einer anderweitigen Pathologie – die zeitnahe Ergänzung einer CT des Thorax zu empfehlen. Diese sollte nativ und in low-dose-Technik akquiriert werden.

Die COVID-19-Pneumonie manifestiert sich typischerweise in Form von Milchglastrübungen (ground glass opacities [GGO]), welche multifokal und meist bilateral auftreten, eine fleckförmige oder landkar-tenartige Morphologie zeigen und v. a. die Lungenperipherie und die posterobasalen Lungenabschnitte betreffen. Seltener bzw. in fortgeschrittenen Krankheitsstadien sind u. a. Konsolidierungen sowie ein Crazy-paving-Muster zu beobachten. Die bildmorphologischen Charakteristika sind nicht spezifisch, sodass große Überlappungsbereiche mit anderen viralen Pneumonien bestehen.

CT-graphisch lassen sich ein Jahr nach einer COVID-19-Erkrankung bei einem beträchtlichen Teil der Patientinnen und Patienten noch Auffälligkeiten des Lungenparenchyms nachweisen, insbesondere wenn sie initial eine invasive oder nicht-invasive Beatmung benötigten. Dabei konnten die Dauer des initialen Krankenhausaufenthalts, ein hoher initialer CT-Score (prozentualer Anteil des betroffenen Lungenparenchyms) und eine nicht-invasive Beatmung als Risikofaktoren für die langfristige Persistenz von CT-Auffälligkeiten ausgemacht werden. Die detektierbaren Lungenparenchymveränderungen reichen dabei von persistierenden GGO bis hin zu sogenannten fibrotic-like lesions (lineare, retikuläre oder zystische Läsionen). Die Patientinnen/Patienten mit einem auffälligen CT nach zwölf Monaten zeigten darüber hinaus signifikant häufiger eine eingeschränkte Lungenfunktion. Wir Radiologinnen und Radiologen sehen häufig CT-Aufnahmen, die erst Monate nach einer bekannten – oder auch unbekannten – COVID-19-Infektion angefertigt wurden, und sollten daher dafür sensibilisiert sein, postvirale Veränderungen zu erkennen und diese dann auch exakt beschreiben.

Fallbeispiele (unter Berücksichtigung von Verlaufskontrollen bei langem Verlauf)

Fallbeispiel 1

Ein 44-jähriger Patient infiziert sich in 4/2020 erstmals mit SARS-CoV-2 und erhält aufgrund des Schweregrads seiner Symptome eine CT des Thorax:   

 

In den oberen Bildern zeigen sich peripher betonte, überwiegend periphere Infiltrate, welche teils einen milchglasartigen Charakter haben, teils jedoch auch konsolidieren. Im anterioren rechten Lungenoberlappen lässt sich zudem ein Halozeichen (kleine Konsolidierung, umgeben von einer saumartigen Milchglastrübung) abgrenzen. Trotz im Anschluss an die Infektion eingeleiteter Rehabilitationsmaßnahmen leidet der Patient im Verlauf unter einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit im Sinne eines Post-COVID-Syndroms. In der CT-graphischen Verlaufskontrolle (8/2020) lassen sich jedoch keine pulmonalen Auffälligkeiten mehr abgrenzen:    



Fallbeispiel 2

Ein 56-jähriger Patient erkrankt 4/2021 so schwer an COVID-19, dass eine invasive Beatmung erforderlich ist.

Es finden sich ausgedehnte Milchglastrübungen bipulmonal, welche in den apikalen Lungenabschnitten 80–90 Prozent des Lungenparenchyms betreffen. Zusätzlich lässt sich insbesondere in beiden Lungenoberlappen ein Crazy-paving-Muster abgrenzen. Im rechten Lungenunterlappen und in der Lingula (sowie geringer auch im rechten Lungenoberlappen) zeigen sich zudem subpleural gelegene Konsolidierungen. Darüber hinaus lässt sich bipulmonal ein Luftbronchogramm nachweisen. Zwei Monate später sind die pulmonalen Veränderungen zwar regredient, große Lungenabschnitte sind aber weiterhin von Milchglastrübungen betroffen und es finden sich umschriebene, subpleural betonte Konsolidierungen bipulmonal:  




Fallbeispiel 3

Ein 74-jähriger Patient erkrankt  3/2021 an COVID-19. Im Verlauf der Erkrankung hat der Patient anhaltend Fieber und Dyspnoe bei respiratorischer Insuffizienz. Es erfolgt eine passagere High-flow-Therapie. Zur Beurteilung des Lungenparenchyms bzw. des Schweregrades der Infektion erfolgt eine CT des Thorax:

     

Neben ausgedehnten, subpleural gelegenen, bipulmonalen Konsolidierungen, im linken Lungenoberlappen betonten Milchglasinfiltraten, einem beidseitigen Luftbronchogramm sowie verdickten Bronchialwänden insbesondere im linken Lungenunterlappen lässt sich auf der linken Seite ein mäßiggradiger Pleuraerguss nachweisen. Nach überstandener Erstinfektion berichtet der Patient auch nach vier Monaten noch über eine deutlich eingeschränkte Belastbarkeit und eine Fatigue-Symptomatik im Sinne eines Post-COVID-Syndroms. Zudem benötigt er intermittierend noch eine zusätzliche Sauerstoffzufuhr (O2-Therapie). In der CT-graphischen Verlaufskontrolle (7/2021) stellen sich die pulmonalen Veränderungen deutlich regredient dar mit einem minimalen Restbefund vir allem im rechten Lungenoberlappen:  



Zusammenfassung:

  • COVID-19 kann als Berufskrankheit anerkannt werden, aber auch Arbeitsunfall sein.
  • Jeder begründete Verdacht auf eine Berufskrankheit ist meldepflichtig.
  • Radiologinnen und Radiologen kennen die bildgebenden Befunde einer COVID-19-Erkrankung im akuten Fall und im Verlauf und sind häufig in die Diagnostik eingebunden.

Anna Höink, Kathrin Ludwig – AG DRauE

07.09.2022

Das Copyright der Bilder liegt, soweit nicht anders angegeben, bei Dr. Kathrin Ludwig.

veröffentlicht am Freitag, 16. September 2022