Nachruf PD Dr. med. Siegfried Tuengerthal

*03.02.1941, † 04.03.2023

Tief betroffen erfuhren ehemalige Wegbegleiter und Radiologen der AG DRauE, dass PD Dr. Siegfried Tuengerthal am 04.03.2023 verstorben ist.

Nach erfolgreicher Facharztausbildung an der Universitätsklinik in Frankfurt arbeitete S. Tuengerthal von 1976-1985 als Oberarzt mit dem Schwerpunkt für Thoraxerkrankungen. Am 01.07.1985 wurde er zum Chefarzt der Röntgenabteilung der Thoraxklinik Baden in Heidelberg-Rohrbach ernannt.

1987 erfolgten die Habilitation und Ernennung zum Privatdozenten. Sein wissenschaftliches Werk umfasst zahlreiche Veröffentlichungen auf dem Gebiet der Röntgen-Kontrastmittel-Forschung, der Röntgentechnik, der Digitalen Subtraktionsangiographie, der Arbeitsmedizin, der Thoraxradiologie u.v.m.
Im gleichen Jahr schloss er sich einer Kommission der DRG an, die seit 1982 für Themen zur Silikose und asbestassoziierte Veränderungen zuständig war und in eine Arbeitsgemeinschaft umgewandelt wurde. Berufen waren Dr. Heinz Bohlig, Dr. K.G.Hering, Dr. Detlef Bartelt und dann PD. Dr. Siegfried Tuengerthal.
Es begann die enge Zusammenarbeit mit unserer Arbeitsgemeinschaft bei einem Workshop „Pneumokoniosen“ im Rahmen der Radiologischen Woche in Köln, bei der Dr. Heinz Bohlig, Dr. K.G. Hering und PD Dr. S. Tuengerthal als Tutoren zusammentrafen.

Erwähnenswert sind neben vielen Mitgliedschaften in wissenschaftlichen Gesellschaften seine Aktivitäten im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Röntgengesellschaft für Diagnostische Radiologie arbeits- und umweltbedingter Erkrankungen (AG DRauE), dessen Vorsitzender er von 2002 bis 2007 war. Zu benennen sind seine Teilnahme an der Weiterentwicklung der Internationalen Staublungenerkrankung, die als ILO-Klassifikation weltweit im Einsatz ist.

Neben seinen zahlreichen Fortbildungen auf dem Gebiet der Thoraxradiologie für Radiologen, Pneumologen und Arbeitsmedizinern sind seine radiologischen Expertisen als Zweitbegutachter beim Hauptverband der Berufsgenossenschaften, als beratender Arzt der BG-Chemie, als Mitglied der Untersuchungsgruppe asbestexponierter Versicherter 1996-2002, als Mitglied der Arbeitsgruppe des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften Falkensteiner Merkblatt und als Mitglied der internationalen Arbeitsgruppe CT-Diagnostik pulmonaler Berufskrankheiten genannt.

S. Tuengerthal war Organisator, vielfacher Referent und Tutor von Fortbildungs-Veranstaltungen in der Thoraxklinik Heidelberg. Legendär waren seine jährlichen überregionalen und interdisziplinären Veranstaltungen zu pulmonalen Berufskrankheiten in Zusammenarbeit mit der BG-Chemie und dem Hauptverband der Berufsgenossenschaften. Daneben organisierte und leitete er zahlreiche Workshops anlässlich der Deutschen Röntgenkongresse 1998 bis 2005, ebenso viele CME-zertifizierte Refresherkurse bei der Akademie der DRG und der Deutschen Pneumologischen Gesellschaft und war ein humorvoller und angesehener Redner.

2005 erhielt Siegfried Tuengerthal anlässlich des 100. Röntgenkongresses die Verleihung des Eugenie und Felix Wachsmann Preises der DRG „in Anerkennung seines engagierten und erfolgreichen Einsatzes für die radiologische Fortbildung im Rahmen der Akademie für Fort- und Weiterbildung in der Radiologie“.         

Mit zunehmender Verbreitung der HRCT wurde sie in die nachgehende Vorsorge der staubbelasteten Beschäftigten eingefügt. Um den Vergleich zwischen Röntgenuntersuchungen des Thorax und CT zu standardisieren, gründete sich eine internationale Arbeitsgruppe, deren Mitglied S. Tuengerthal war. Es wurde ein Beurteilungsbogen entwickelt, der unter der Bezeichnung ICOERD (International Classification for Occupational and Environmental Respiratory Diseases) obligatorischer Bestandteil von Leitlinien und gutachterlichen Stellungnahmen ist.

Der wissenschaftliche Werdegang von Siegfried Tuengerthal ist hier nur unvollständig aufgelistet. Liest man sein Curriculum, gibt es nichts, was ihn nicht interessierte, sei es Radiologie, Technik oder die Radiologie der Fossilfunde der Grube Messel, die er als Thema seines Habil-Vortrages gewählt hatte.
Seine umfangreiche Erfahrung, wissenschaftlich und praxisnah, kamen bei allen Unternehmungen voll zum Einsatz, kritisch, aber immer mit dem Ziel vor Augen.

Zum Abschied aus der klinischen Tätigkeit schrieb er unter „Hobbies und Pläne für die Zukunft“: Zusammen mit meiner Frau Enkel und Kinder und deren Partner genießen und als aktive Großeltern gefordert, anerkannt und wenn möglich, geliebt zu werden.
In diesem Rahmen war es K.G. Hering eine Ehre, ein Curriculum bildgebend vortragen zu dürfen; die Liste seiner Wünsche überließ ihm Frau Tuengerthal: 1. Familie, 2. Aktivitäts- u. Gesundheitsprogramm, 3. Schöngeistiges, 4. Restaurator, 5. Afrikanische Ethnologie, 6. Flora und Fauna, 7. Paläobotanik- u. -zoologie, 8. Zweitbeurteilung, 9. Vertretung, 10. „Nein-Sagen“ üben, 10. Freunde aus persönlichem und beruflichem Umfeld.

Nach Rückzug aus dem beruflichen Umfeld war S. Tuengerthal bis zum Schluss als Zweitbegutachter für die BG tätig. Sein Einsatz für die AG DRauE ist prägend und motivierend für nachfolgende Radiologengenerationen.

Der Vorstand der AG DRauE ist dankbar, einen wissbegierigen, humorvollen und engagierten Arzt, Wissenschaftler, Schöngeist und Menschen in unseren Reihen gehabt zu haben. Mitglieder der AG und radiologische Freunde teilen die Trauer um seinen Tod.

Im Namen des Vorstandes und der Mitglieder der AG DRauE,
Kathrin Ludwig und Kurt Georg Hering                Berlin 17.03.2023